Landgericht Berlin
Die Staatsanwaltschaft hat gegen
dieses Urteil Revision eingelegt
Geschäftsnummer: (570) 56/137 Pls 2939/95 Ns (44/96)
250 Cs 951/95 Amtsgericht Tiergarten in Berlin
g e g e n den Angeklagten
Michael H a r t m a n n
geboren am 16. Mai 1966 in München
wohnhaft Hohenzollernstraße 56, 80801 München
w e g e n Sachbeschädigung
Die kleine Strafkammer 70 des Landgerichts Berlin hat auf Grund der Hauptverhandlung vom 1. April 1997,
an der teilgenommen haben:
Richter am Landgericht Dr. Dieckmann
als Vorsitzender
Angestellte Dorit Klubach
Sachbearbeiter Peter Rauhut
als Schöffen
Staatsanwalt Daum
als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt Ströbele
als Verteidiger
Justizsekretärin Sandkühler
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für R E C H T erkannt:
Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten
vom 21. Februar 1996 - 250 Cs 951/95 - aufgehoben.
Der Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen
Auslagen zu tragen hat, freigesprochen.
Der Angeklagte wurde durch das Urteil des Amtsgerichts
Tiergarten vom 21. Februar 1996 - 250 Cs 951/95 - wegen Sachbeschädigung
zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,-- DM verurteilt,
weil er am 24. Juni 1995 im Bereich des Chamissoplatzes demonstrativ
einen falsch geparkten Opel Vectra überlaufen habe und dabei
- mit bedingtem Vorsatz handelnd - die Kühlerverkleidung
des Fahrzeugs losgetreten und zugleich mit seinem Fuß eine
handtellergroße Delle oberhalb des Kühlergrills verursacht
habe.
Die gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegte
Berufung des Angeklagten war zulässig und auch erfolgreich.
Die Hauptverhandlung hat nicht mit der für eine Verurteilung
notwendigen Sicherheit ergeben, daß der Angeklagte vorsätzlich
handelte, so daß er nach dem Grundsatz "Im Zweifel
für den Angeklagten" aus tatsächlichen Gründen
freizusprechen war.
Den objektiven Tatbestand einer Sachbeschädigung
hat der Angeklagte vorbehaltlos eingeräumt, so daß
insoweit von folgendem Sachverhalt auszugehen war:
Am 24. Juni 1995 fand auf Einladung des "Fuß
e.V. Berlin" ein sogenanntes "Car-Walking" im Bereich
des Chamissoplatzes statt, bei dem der Angeklagte auftrat. Dieser
versteht sich als Aktionskünstler. Er sieht in Autos, die
auf dem Bürgersteig geparkt werden, eine Belästigung
und Gefährdung von Fußgängern. Um Kraftfahrer
vom Falschparken abzuhalten, hat er seit 1988 begonnen, in seiner
Heimatstadt München regelmäßig demonstrativ über
falsch geparkte Autos zu gehen. Diese Fähigkeit zeigte er
am Tattag auch in Berlin vor laufenden Kameras eines Privatsenders.
Nachdem er viermal einen roten Renault "überlaufen"
hatte, war bei diesem eine geringfügige Delle im Bereich
des Daches entstanden. Der Angeklagte überlief auch weitere
Fahrzeuge, nämlich einen weißen Opel Kadett und den
- später beschädigten - blauen Opel Vectra des Herrn
Kiefer. An beiden Fahrzeugen entstand kein Schaden.
Anschließend bat ihn das Aufnahmeteam die beiden Opel nacheinander zu überlaufen und dabei direkt von einem auf das nächste Fahrzeug zu steigen. Der Angeklagte hatte zunächst Bedenken, ob dies möglich sei, ohne einen Schaden hervorzurufen. Nachdem er sich den Abstand zwischen beiden Fahrzeugen näher betrachtet hatte, äußerte er, daß seine Bedenken unbegründet wären, so daß er der Bitte des Fernsehteams nachkam. Als er auf dem Schrägheck des zunächst bestiegenen Fahrzeugs angelangt war, mußte er feststellen, daß er den Opel Vectra nicht mit einem großen Schritt erreichen konnte. Er sprang deshalb auf die Kühlerhaube und rutschte bei dem Versuch sich zu fangen ab. Dabei verursachte er die vom Amtsgericht Tiergarten festgestellte Beschädigungen. Die von Herrn Kiefer dem Angeklagten gegenüber geltend gemachte Schadenshöhe beläuft sich auf
ca. 2.000,--DM.
Den subjektiven Tatbestand hat der Angeklagte aber
bestritten: Er müsse einräumen, daß sein Verhalten
fahrlässig war. Bei seiner Aktion habe er das Fahrzeug des
Herrn Kiefer jedoch nicht beschädigen wollen. Er habe auch
nicht in Kenntnis der Risiken seines Handelns einen Schaden billigend
in Kauf genommen. Er habe vielmehr darauf vertraut, daß
ihm sein "Manöver" ohne Komplikationen gelingen
würde. Wenn er gewußt hätte, daß er einen
Sachschaden verursachen würde, hätte er dem Drängen
der Reporter nicht nachgegeben.
Das Gericht mußte sich somit mit der Frage auseinandersetzen, ob dem Angeklagten diese Einlassung zu widerlegen war, und ihm mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit nachgewiesen werden konnte, daß er in Wahrheit mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daß der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und billigt (vgl.
BGH NStZ 1992, 587). Bei der Prüfung, ob bedingter
Vorsatz vorliegt, ist es nicht nur erforderlich, das Wissenselement
anhand objektiver Umstände zu begründen. Auch das Wollenselement
muß gesondert geprüft und durch tatsächliche Feststellungen
belegt werden, wobei alle objektiven und subjektiven, für
das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände in Betracht zu ziehen
sind. (BGH StV 1994, 640).
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Die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz
und bewußter Fahrlässigkeit ist schwierig und stellt
deshalb besondere Anforderungen an die Feststellung des inneren
Tatbestandes (vgl. BayObLG StV 1993, 642). Das Gericht hat den
Angeklagten deshalb dazu veranlaßt, sich ausführlich
zur Frage des subjektiven Tatbestandes zu äußern und
auf kritische Vorhalte einzugehen. In diesem Zusammenhang wurden
insbesondere auch schriftliche Stellungnahmen des Angeklagten
(Bl 57 und 59ff der Akten) sowie das Foto auf Blatt 10 der Akten,
das den Angeklagten bei der Tat zeigt, berücksichtigt.
Nach der Beweisaufnahme verblieben beim Gericht Zweifel,
die sich auf das Vorliegen beider Komponenten (Wissen und Wollen)
bezogen:
Wenn der Angeklagte vor der Tat bereits in meheren
anderen Fällen, bei "Carwalking"-Aktionen Fahrzeuge
beschädigt hätte, so könnte daraus der Schluß
gezogen werden, daß er um die objektive Gefährlichkeit
seines Tuns wußte. Zum Wissenselement hat der Angeklagte
aber erklärt, daß er seit 1988 über falsch geparkte
Autos steige. Er würde dies mehrmals am Tage machen, so daß
er bis zum Tattag auf eine Erfahrung von weit über 2000 Autoübersteigungen
zurückblicken könne. Bis auf vier Ausnahmen sei es dabei
nie zu Schäden gekommen. Bei den ersten beiden Fällen
habe es sich um Geschehnisse aus der Anfangszeit seiner Tätigkeit
gehandelt, für die er auch verurteilt worden sei. Er hätte
aus diesen Verfahren die Lehre gezogen, daß man nicht auf
die um einen Zentimeter erhöhten Kanten in der Motorhaube
steigen dürfe, da es sonst eine Delle geben würde. Nachdem
er seine Technik verändert hätte, sei es bis zum Tattag
nicht mehr zu irgendwelchen Schäden gekommen. Der 4. Vorfall
habe sich erst nach 1995 in München abgespielt. Hier sei
er beim "Überqueren" eines Polizeifahrzeuges abgerutscht
und deshalb am 17.3.1997 wegen Sachbeschädigung - noch nicht
rechtskräftig - zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
- 5 -
Wie sich aus dem Registerauszug und den Beiakten
"Ablichtungen aus 423 Cs 242 Js 39162/89 und 423 Ds 242 Js
56326/89" ergibt, wurde der Angeklagte tatsächlich 1989
und 1990 zwei mal wegen Sachbeschädigung verurteilt, wobei
die Taten sich am 3. Februar 1989 abgespielt haben. Weitere Verfahren
wegen Sachbeschädigung ergeben sich weder aus dem Registerauszug
noch aus den beigezogenen Akten hinsichtlich weiterer Verurteilungen
(Beistück I, Staatsanwaltschaft München I 242 Js 60692/91
und 113 Js 4032/90). Dem Angeklagten kann somit nicht widerlegt
werden, daß er nach Änderung seiner "Technik"
mehr als fünf Jahre lang tagtäglich Autos überstiegen
hat, ohne daß es zu Schäden kam. Der von ihm selbst
erwähnte 4. Vorfall, der noch nicht aktenkundig war, kann
im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu seinen Lasten berücksichtigt
werden, da er nach 1995 geschah und sich deshalb aus ihm keine
Schlüsse ableiten lassen, ob der Angeklagte im Mai 1995 um
die Gefährlichkeit seines Tuns wußte. Angesichts dieses
Umstandes läßt es sich die Einlassung des Angeklagten
nicht widerlegen, daß er darauf vertraute, auch bei seiner
Vorführung am Chamissoplatz würde alles "routinemäßig"
und ohne Schaden abgehen.
Das Gericht hat dem Angeklagten vorgehalten, daß
das überschreiten von zwei Autos hintereinander mit einem
höheren Risiko belastet ist, da es schwieriger ist von einem
Fahrzeug auf das Andere zu steigen, als vom Bürgersteig aus
vorzugehen. Der Angeklagte hat dies auch eingeräumt und erklärt,
das er in der Regel nur über ein Auto laufen würde,
in der Vergangenheit sei es aber auch häufiger vorgekommen
- nämlich mindestens dreißig Mal - -daß er über
mehrere Fahrzeuge hintereinander gegangen sei. Auch in diesen
Fällen hätte er keinen Schaden verursacht, so daß
er darauf vertraut habe, auch dieses Manöver vollführen
zu können, ohne Beule an einem Fahrzeug zu verursachen.
Zu dem in diesem Zusammenhang gemachten Vorhalt,
daß er bei der Aktion kurz zuvor eine Beule in das Dach
eines Renault gemacht habe, ließ sich der Angeklagte wie
folgt ein: Über diesen Renault sei er drei Mal hinweggestiegen,
ohne daß es zu einem Schaden gekommen sei. Beim dritten
Mal sei ihm aber aufgefallen, daß das Dach
"weich" geworden sei. Darauf habe er auch
hingewiesen, als man ihn aufgefordert habe, ein weiteres Mal den
PKW zu überqueren. Seine Bedenken habe man mit dem Hinweis
zerstreut, daß dies das Fahrzeug eines "Sympathisanten"
sei und daß dieser keine Bedenken habe, wenn eine kleine
Beule im Dach entstehen würde. daraufhin habe er das Fahrzeug
noch einmal überlaufen und dabei die Beschädigung hervorgerufen.
Auch diese Einlassung läßt sich nicht wiederlegen.
Sie erscheint auch insbesondere deshalb plausibel, weil der Schaden
an dem Renault nicht aktenkundig war und erstmals bei der Verhandlung
erster Instanz vom Angeklagten selbst erwähnt wurde.
Auch aus dem Umstand, daß der Angeklagte zunächst
gezögert hatte, beide Fahrzeuge hintereinander zu überqueren,
läßt sich kein sicherer Schluß darauf ziehen,
daß er in Wahrheit doch davon ausging, daß ein Schadenseintritt
möglich wäre. Zu diesem Punkt befragt erklärte
er, daß er sich den Abstand zwischen beiden Pkw noch einmal
genauer angesehen habe und sich danach sicher gewesen sei, daß
er mit einem großen Schritt, den nach seiner Schätzung
80-90 cm großen Abstand zu überwinden. Erst beim Überlaufen
sei ihm dann deutlich geworden, daß er den Höhenunterschied
nicht ausreichend berücksichtigt hatte, was ihn dann dazu
zwang, einen Sprung statt eines Schrittes zu machen. Das Gericht
hat in diesem Zusammenhang das große der drei auf Bl. 10
der Akten abgebildete Fotos in Augenschein genommen. Dieses zeigt
den Angeklagten bei seinem Sprung: Dabei tritt er mit dem rechten
Fuß auf das später geschädigte Fahrzeug, während
er gleichzeitig mit der Sohle seines linken Schuhs den anderen
PKW berührt. Der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen und auch
der Höhenunterschied ist tatsächlich nicht so beträchtlich,
daß sich die Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptung
widerlegen ließe.
Zur voluntativen Seite hat sich der Angeklagte
wie folgt eingelassen: Mit seinen Aktionen wolle er darauf aufmerksam
machen, daß der Bürgersteig für Fußgänger
und nicht für Autos gedacht sei. Er selbst würde ja
auch seinen Lebensunterhalt damit verdienen, daß er "Carwalk-Seminare
veranstalten würde, bei denen er es anderen Menschen beibringen
würde, wie man über Autos laufen könne, ohne diese
zu beschädigen. Es sei damit auch Teil seiner "Künstlerlehre"
als Aktionskünstler tatsäch-
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lich stets die Autos so geschickt zu überqueren,
daß es so - wie von ihm propagiert - ohne Beulen und Dellen
enden würde.
Den Vorhalt des Gerichts, daß ein "kleiner
Denkzettel" in Gestalt einer Delle doch durchaus im Sinne
des Anliegens sein könnte, hat der Angeklagte zurückgewiesen.
Es sei nicht sein Ziel, einzelne Autofahrer für ihr Fehlverhalten
zu bestrafen, indem er an ihren Fahrzeugen einen Schaden verursache,
sondern allgemein Aufmerksamkeit auf einen Mißstand zu lenken.
Auch dies kann dem Angeklagten nicht widerlegt werden: denn auch
in seinen öffentlichen Äußerungen (Flugblatt "Warum
Carwalking?", Bl.9; Flugblatt Bl. 57f und "Abschlußbericht
Michael Hartmann Bl. 59) ist stets die Rede davon, daß über
die Autos gestiegen werden solle, ohne diese zu beschädigen.
So beantwortet der Angeklagte in einem fiktivem Interview die
selbst gestellte Frage "Wie macht mensch das, über ein
Auto steigen, ohne es zu beschädigen ?" und warnt
hier wie in seinen anderen Flugschriften ausdrücklich: "nicht
auf die vielleicht um einen Zentimeter erhöhten Kanten in
der Motorhaube steigen, denn das gibt bestimmt eine Delle"
(Bl. 58 der Akten).
Dem Angeklakten wurde auch die Formulierung aus seinem
Flugblatt "Warum Carwalking?" (Bl. 9. d.A.) vorgehalten,
wo es heißt: "Um schließlich die Autos von den
Bürgersteigen zu vertreiben, weil entweder keiner freiwillig
auf'm Bürgersteig parkt aus Angst vor Dellen,...". Er
verwies darauf, daß etwas weiter unten von Personen die
Rede sei, die "nachts und besoffen statt tagsüber und
nüchtern" über Autos steigen würden. Ihm selbst
seien die Risiken bekannt, so daß er nie in angetrunkenem
Zustand über Autos gehen würde.
Die Kammer hat sich auch damit auseinandergesetzt,
ob sich nicht aus dem Verhalten des Angeklagten im konkreten Fall
ein Rückschluß auf bedingten Vorsatz ziehen ließen:
Denn wenn er einen Schaden vermeiden sollte, warum hat er dann
nicht sein Vorhaben abgebrochen, als er erkannte, daß er
nicht mit einem großen schritt sondern nur mit einem Sprung
von einem Fahrzeug zum anderen gelangen konnte? Auch zu diesem
Vorhalt konnte der Angeklagte eine Erklärung geben: Seine
"Technik" be-
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stünde darin, die Fahrzeuge ohne Innehalten
in einem schnellen Bewegungsablauf zu überqueren. Als er
die für ihn schwierige Situation erkannt habe, hätte
er bereits mit einem Fuß das schräge Heck des ersten
Fahrzeugs verlassen. Wenn er das Überlaufen abgebrochen hätte,
hätte er zwischen den Fahrzeugen landen und dann seine Vorwärtsbewegung
mit den Händen auf der Kühlerhaube abfangen müssen.
Dabei wäre es nach seiner Einschätzung mit Sicherheit
zu einer Beule gekommen, so daß der gewählte Weg des
Weiterlaufens ihm als das geringere von zwei Übeln erschienen
sei. Ein seitliches Ausweichen zum Bürgersteig hin, sei ihm
nicht möglich gewesen. Diese Einlassung steht nicht im Widerspruch
zur "Tatfotografie". Hier wird vielmehr deutlich, daß
sich der Angeklagte tatsächlich mittig auf der Heckklappe
des ersten Fahrzeuges befand. Es erscheint nachvollziehbar, daß
ein seitliches Ausweichen insbesondere aus einer Vorwärtsbewegung
heraus als nicht mehr möglich angesehen wurde.
Auch wenn man die für einen bedingten Vorsatz
sprechenden Gesichtspunkte (insbesondere die vorangegangenen Verurteilungen
in München, die am Tattag vom Angeklagten verursachte Beule
im Dach des Renaults, das besondere Risiko beim Übersteigen
von zwei Fahrzeugen hintereinander, das anfängliche Zögern
des Angeklagten, auch daß der Angeklagte nach dieser Tat
in München ein weiteres Fahrzeug beschädigte) nicht
einzeln betrachtet, sondern in einer Gesamtschau wertet, verbleibem
ernstzunehmende Zweifel: Diese stützen sich nicht allein
darauf, daß der Angeklagte -wie oben dargelegt - zu allen
Punkten eine schlüssige, entlastende Darstellung geben konnte
und das seine Einlassung auch nicht im Widerspruch zu den weiteren
Ermittlungsergebnissen (Beiakten, BZR-Auszug, Tatfoto) stand.
Die Zweifel der Kammer beruhen nämlich auch auf dem persönlichen
Eindruck, den der Angeklagte in der Hauptverhandlung hinterlassen
hat: Das Gericht hat nicht die Überzeugung gewonnen, daß
es sich bei ihm um einen Menschen handelt(e), der geschickt
und "stromlinienförmig" sein Aussageverhalten am
Akteninhalt orientiert, um einen möglichst glimpflichen Verfahrensausgang
zu erzielen. Bei Herrn Hartmann überwog vielmehr der Eindruck,
daß es ihm darum ging, ein "Anliegen" zu vertreten
und daß er deshalb mit "offenem Visir" vor Gericht
kämpfen müsse. Daß sich der Angeklagte um ehrliche
Angaben bemühte, ergibt sich unter anderem daraus, daß
er
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auch ihn (eigentlich: ihm) Nachteiliges ungefragt
berichtete und sogar bestimmte ihn belastende Gesichtspunkte erst
aufgrund seiner Einlassungen bekannt wurden: So war er es, der
die Beule am Renault erwähnte. Auch wies er ungefragt darauf
hin, daß er damals zunächst Bedenken hatte, über
beide Fahrzeuge zu gehen. Auch die von ihm gemachten Angaben zur
Schadenshöhe ("ca. 2.000.--DM") weichen um 500.--DM
zu seinen Ungunsten von den Feststellungen des Amtsgerichts Tiergarten
("ca. 1.500,--DM") ab.
Letztlich konnte die Frage des subjektiven Tatbestandes
nicht sicher geklärt werden. Ebenso wie ein Motiv für
bedingten Vorsatz denkbar wäre, nämlich Kraftfahrern
einen Denkzettel zu verpassen, gibt es auch ein nachvollziehbares
Motiv, das gerade gegen einen solchen Vorsatz spricht: Der Angeklagte
führt seine Aktionen nicht heimlich durch. In Berlin geschah
dies vor laufender Kamera und im Beisein von Pressefotografen.
Im (eigentlich: ihm) war bewußt, daß er im Schadensfall
nicht unerkannt entkommen würde. Schon um zivil- und strafrechtlichen
Ärger zu vermeiden, lag es durchaus im nachvollziehbaren
Interesse des Angeklagten, keinen Schaden zu verursachen.
Es ist möglich, daß der Angeklagte mit
bedingtem Vorsatz handelte. Aber auch die Einlassung des Angeklagten,
er habe den Schaden nur grob fahrlässig herbeigeführt,
erscheint nachvollziehbar und plausibel. Da sich eine Verurteilung
aber nicht auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen sondern nur
auf die Überzeugung des Gerichts stützen darf, weitere
Beweismittel, aus denen sich sichere Rückschlüsse auf
den subjektiven Tatbestand ziehen ließen, nicht ersichtlich
waren, war der Angeklagte nach dem Grundsatz "Im Zweifel
für den Angeklagten" freizusprechen.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §
467 Abs. 1 StPO.
Dr. Dieckmann
Beglaubigt
Justizangestellte