Nach dem theoretischen Teil in Form des Videos mit anschließender Diskussion folgte noch der praktische Teil.
Zuerst zeigte uns Michael, wie ein Auto zu übergehen
ist, ohne es zu beschädigen. Anschließend durfte es
jeder selbst ausprobieren, mal von vorne, dann von hinten, immer
wieder. Und es war erstaunlich: So ein Auto hält eine ganze
Menge aus, nicht einmal Spuren von Kratzern im Lack waren zu finden.
Alle Teilnehmer schafften es, mit einfacher Beachtung der von
Michael vorher gegebenen Empfehlungen: "Auf die Stoßstange
, auf die Motorhaube ziemlich am Anfang, (...)". Da unser
"Testwagen" ein Kombi war, sprangen wir direkt vom Dach
nach unten, dafür war das Erklimmen des Autos von hinten
ein wenig aufwendiger, aber auch das ging. Nicht zu verschweigen
ist eine nach dem Ende der Aktion entdeckte klitzekleine Delle
am hinteren Dachende. Für etwa 50 Übersteiger (eigentlich:
Übersteigungen, Anm. d. Verf.) ist das jedoch nicht viel,
und alle konnten sehen, daß man dieses Carwalking schnell
lernen kann.
Der zweite Teil ging dann nicht mehr über Autos, sondern
quasi mittendurch. Da es nicht besonders schwer ist auf einer
Straße geradeaus zu laufen, kamen wir gleich zum Härtetest:
Auf der nächsten großen Kreuzung begann Michael uns
das Diagonalqueren vorzuführen. Er lief rüber und zurück,
offenbar ohne sich um Autos und Ampeln zu kümmern. Dann waren
die Seminarteilnehmer an der Reihe. Der Tip von Michael: Zügig,
selbstbewußt geradeaus gehen, nicht Stehenbleiben, die Autos
aus den Augenwinkeln beobachten. Mit etwas weichen Knien wagten
wir uns auf die Strecke, zuanfang natürlich noch in der Gruppe,
und spazierten los.
Zwar hatten wir das Bewußtsein, daß die Autofahrer
uns sehen, aber ob sie auch ALLE vernünftig sind und bremsen
oder ausweichen? Immerhin rechnet in Hamburg niemand mit Carwalkern
(eigentlich: Streetwalkern, Anm. d. Verf.) (im Gegensatz zu München
angeblich). Bei denmeisten in der Gruppe war das Vertrauen in
die Autofahrer nicht sehr groß, und im Zweifel hielt man
selber an. Einige marschierten jedoch auch schnurstracks durch
den Autostrom hindurch auf die andere Straßenseite, um dann
gleich wieder umzukehren.
Es ist für Anfänger eine sehr nervenaufreibende Variante des Kreuzungsquerens, es gab auch eine Vollbremsung, wütende Autofahrer, viele Autofahrer, die erst im letzten Augenblick auswichen und auch ein paar Nothalte von Seminarteilnehmern, aber es passierte niemandem etwas. (...)
Das Carwalking in all seinen Möglichkeiten (also auch
Streetwalking, Anm. d. Verf.) kann, gezielt eingesetzt, Aufmerksamkeit
in der Öffentlichkeit erregen. Damit dient es dem ursprünglichen
Zweck, auf die extreme Benachteiligung der nichtmotorisierten
Verkehrsteilnehmer gegenüber den Autofahrern aufmerksam zu
machen. Carwalking im Alltag wird wohl nur wahrgenommen, wenn
es mehr, als eine Hand voll Aktivisten regelmäßig betreiben.
Das Übergehen der Autos war einfach gut, es ist ein tolles
Gefühl, auf einem Autodach zu stehen! Durch massives Carwalking
in dieser Form würde das Gehwegparken sicher zurückgehen.
(...)
Sven Jagdhuhn (Adresse: (???)) aus Berlin schrieb das Prozokoll
und machte das obige Foto. Vielen Dank dafür!